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Channel: Kirche & Bodenpersonal – Neue Rundschau
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Diesmal waren sie gar nicht so richtig zu bemerken: Die närrischen Tage

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Aschermittwoch in diesen Zeiten: Pappnasenmaske in die Tasche, Corona-Maske wieder drauf!

Die fünfte Jahreszeit, jenes gotteslästerliche Interregnum der „civitas diaboli“, in der sämtliche Verhältnisse auf links gedreht und selbst heiligste Rituale für den Mummenschanz geopfert werden, gleitet in diesem Jahr nahtlos – die eine Maske abgenommen, derweil die andere wieder aufgesetzt werden darf – in die Fastenzeit über.

Man redet ja nicht gerne darüber, aber – eigentlich – ist das eine (naja, kleine jedenfalls) Sensation!
Die Narrenfeste hatten sich schon in der altbabylonischen Antike etablieren können, Kaiser und Könige haben sie kommen und wieder gehen sehen, und keiner konnte ihnen wirklich die Kappe von der Nase reißen. Warum auch? Ein guter dionysischer Rausch hilft noch immer gegen allerlei Zipperlein. Egal ob Migräne, Zwangsleiden oder posttraumatische Verbitterungsstörung: Einmal Leber und Harnblase durchspülen, und Kreislauf und Psyche sagen Danke.

Trotz aller evidenzbasierter Erfolgsgarantie:

Klerus und Obrigkeit haben seit je alles daran gesetzt, die Narreteien im Zaum zu halten. 1353 etwa soll „de kölsche“ Erzbischof Wilhelm von Gennep versucht haben, den Ausschank von Bier und Wein zu verbieten, 1412 beschloss der Rat der Stadt Köln Spiele und Tänze in privaten Räumen zu untersagen. Durchgesetzt aber haben sich die Spaßbremsen am Ende nie. Zu fest war die Erkenntnis verankert, dass nur derjenige ein guter Bürger ist, der einmal im Jahr auch Blödel sein darf:

Bürgerlied (1848)

So hab ich es nach langen Jahren
zu diesem Posten noch gebracht.
und leider nur zu oft erfahren,
wer hier im Land das Wetter macht.
Du sollst, verdammte Freiheit mir,
die Ruhe fürder nicht gefährden:
Lisette, noch ein Gläschen Bier!
Ich will ein guter Bürger werden –
Ja ich will ein guter Bürger werden.

Georg Herwegh

Corona, das ist wie 365 Tage Aschermittwoch

So gesehen könnten die gegenwärtigen Regierungen noch viel aus dem angeblich doch so dunklen und menschenfeindlichen Mittelalter lernen. Wo nämlich der Katholizismus noch um die kathartische Wirkung des punktuellen Rausches wusste, da wollen modernere Moral- und Ordnungsanbieter gleich ohne Ablass und Kompensationsangebot durchregieren. 365 Tage Engel, ohne auch nur eine Stunde jeck zu sein. Corona, das ist eben wie 365 Tage Aschermittwoch.

Damit uns die diesjährige Fastenzeit dennoch nicht allzu knöchern und protestantisch einherkommt, haben die großen Parteien heute trotz des anhaltenden Lockdowns zum virtuellen Politischen Aschermittwoch geladen. Wir haben dem großen Rumgehuber zugehört:

Seit dem 16. Jahrhundert, als im bayrischen Vilshofen ein Vieh- und Pferdemarkt die Leute dazu animierte, über Politik zu streiten, begeht man in Bayern den Politischen Aschermittwoch. Auch Corona hat an dieser alten Tradition nichts geändert. Dennoch waren die Reden bei den Veranstaltungen von SPD, Grünen, FDP, Linken und AfD in diesem Jahr gedämpft und handzahm.

Und handzahm, das waren selbst die vilshuberschen Urenkel:

Politischer Aschermittwoch der CSU im Digitalformat, das ist wahrscheinlich eine noch größere Herausforderung als ein virtueller Parteitag, wie ihn unlängst die CDU absolvieren musste. Denn das traditionelle Hochamt der Christsozialen in Passau ohne Bier und Blasmusik, ohne Festzeltstimmung und ohne die entsprechenden Ausdünstungen: Das ist eigentlich unvorstellbar.

Wem das ohne Starkbier zu trocken ist, der sollte besser bis zum Oktoberfest warten und bis dahin auf die erste Impfung hoffen. Schließlich hat uns die Bundesregierung ja versprochen, bis zum 21. September ein Impfangebot machen zu können. Das sollte also bis zum Starkbieranstich auf der Theresienwiese passen. Wer noch Zweifel hat, der fühle sich mit einer an die Öffentlichkeit, mithin dem Souveräan zugetragenen Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Konstantin Kuhle  (Bild) bestätigt – nachdem sich  das Bundesgesundheitsministerium (BMG) labge um eine konkrete schriftliche Antwort herumgedrückt. „Was, bitteschön, ist ein Impfangebot?“, wurde bereits Ende Januar beim BMG angefragt. Die dünne Antwort damals: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Äußerungen des Ministers nicht kommentieren.“ Dabei ging es darum, zu definieren, ob bis Ende des Sommers wirklich alle, die es wollen, geimpft sein sollen. Oder ob sie eben nur ein Angebot bekommen, um sich irgendwann impfen lassen zu können.
Die Antwort des Ministeriums auf des FDP-Abgeordneten Anfrage liegt mittlerweile vor.

Der Politiker wollte wissen:

„Ist die Aussage der Bundeskanzlerin und des Bundesgesundheitsministers, man könne bis zum 21. September 2021 jedem „ein Impfangebot“ machen, so zu verstehen, dass alle, die es möchten, bis zum 21. September 2021 geimpft sein werden oder ist damit gemeint, dass alle, die es möchten, bis zum 21. September 2021 einen Termin zur Impfung bekommen werden?“

Geantwortet hat nun die parlamentarische Staatssekretärin der CDU im BMG, Sabine Weiss:

„Es ist nach dem genannten Beschluss vom 19. Januar 2021 gemeinsames Ziel von Bund und Ländern, bis spätestens zum Ende des Sommers allen Bürgern (*Innen von uns – wie üblich – entfernt), die an einer Impfung gegen COVID-19 interessiert sind, eine solche Impfung anzubieten.“

Entscheidend ist hier der Begriff „Ziel“. Ein solches zu haben, ist ehrenwert, aber eben keine klare Zusage. Und so folgt im nächsten Satz auch umgehend die Einschränkung:

„Ausdrücklich weist der Beschluss unmittelbar im Anschluss an diese Aussage darauf hin, dass dieses Ziel nur zu erreichen ist, wenn Impfstoffzulassungen wie geplant erteilt werden und zugesagte Liefermengen termingerecht erfolgen.“

Gewissermaßen wird an dieser Stelle die Verantwortung auf die Zulassungsbehörden einerseits und auf die Impfstoffhersteller anderseits gelenkt. Dass politische Entscheidungen erheblichen Einfluss auf Zulassungen und auch auf Liefermengen haben, ist allerdings bekannt.

Politisch entscheidend ist aber dann der letzte Satz der Antwort:

„Das Angebot umfasst den Zugang zu einer Impfung und damit den Beginn der Immunisierung durch die Erstimpfung; die Zweitimpfung soll im von der Zulassungsbehörde für den jeweiligen Impfstoff empfohlenen Intervall erfolgen.“

So umständlich es auch klingen mag: Klar ist hiernach, dass bis zum Ende des Sommers wirklich jeder, der möchte geimpft worden sein soll. Allerdings, und hier eine weitere Einschränkung: Das gilt nur für die Erst-Impfung. Der Abschluss der kompletten Impfung durch die empfohlene notwendige Zweitimpfung könnte angesichts von vielen Millionen Menschen in Deutschland schon rein logistisch also erst bis weit nach dem Ende des Sommers stattfinden.

Eine klare Kommunikation des Bundesgesundheitsministers und der Bundeskanzlerin könnte also lauten: Wir wollen es schaffen, alle Impfwilligen, bis zum Ende des Sommers zum ersten Mal durchgeimpft haben. Ob wir zumindest das schaffen, hängt aber an der bis dahin vorhandenen Menge an Impfdosen ab.

Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle sagte: „Angesichts dieser massiven Startschwierigkeiten ist die Aussage, bis Ende September alle Interessenten zumindest mit der Erstimpfung versorgen zu wollen, ein ambitioniertes Ziel. Besonders in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs im September werden die Menschen sehr genau darauf achten, ob dieses Ziel auch tatsächlich erreicht wird.“ Denn mit einer Impfung gegen das Corona-Virus würden viele Menschen Hoffnung auf Normalität verbinden. Die aktuelle Unterversorgung der Impfzentren mit Impfstoffen mache diese Hoffnung jedoch besonders bei Risikopatienten zunichte.

Die Bundestagswahl soll am 26. September 2021 stattfinden – soll stattfinden; Freuen wir Christen uns derweil allzumall, dass der Aschermittwoch jedenfalls auch im nächsten Jahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stattfinden wird. Dadauf jedenfalls können wir einen – Pardon – darauf könne wir uns ver-lassen. Ein oder mehrere Prosits darauf, auch das muß erlaubt sein. Tun wir dies denn also – auch!

Na dann Prost!

 

 


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