Quantcast
Channel: Kirche & Bodenpersonal – Neue Rundschau
Viewing all articles
Browse latest Browse all 464

Ein – falscher – König und als Stammsitze zwei Schlösser in Sachsen

$
0
0

Für Millionenbeträge kauft eine Sekte der Reichsbürger Schlösser in Sachsen. Nun kritisieren die betroffenen Gemeinden: Der Freistaat hätte das verhindern müssen und können

Im Schloss Bärwalde, gelegen in einer der schönsten Ecken der sächsischen Oberlausitz, steht Frühjahrsputz an: Fast 100 Menschen – alte Hippies, junge Frauen mit Rastazöpfen und auch einige Familien mit Kindern – arbeiten gemeinsam im ausladenden Garten des Schlosses, das von einem malerischen Türmchen überragt wird. Aus einem Stall hört man Hühner gackern, Gänse laufen frei herum, eine schwarze Katze blickt auf das Treiben. Sieht doch erst mal ganz nett aus. Was ist denn das?

 

 

 

Das ist das Projekt von einem Peter“, sagt Wiktoria, die junge Frau an der Eingangspforte des Schlossgartens, und fragt: „Kennen Sie das Königreich Deutschland?“ Das „Königreich Deutschland“ besteht aus einer  Gruppe sogenannter Reichsbürger – also von rechten Verschwörungsideologinnen und Verschwörungsideologen, die die Legitimität der Bundesrepublik leugnen. Manche wünschen sich den Kaiser zurück, andere proklamieren das höchste Amt für sich selbst. So wie Peter Fitzek, Oberhaupt des merkwürdigen Königreichs: 2012 krönte er sich in Sachsen-Anhalt zu König Peter I. Seitdem lockt er Menschen mit dem Traum vom Systemausstieg. Durch Scheinkrankenkassen, Fantasiebanken und teure Vorträge über Esoterik zieht er seinen Anhängern die Knete aus der Tasche. Die Bundesaufsicht für Finanzen warnt seit Jahren vor Fitzeks Treiben.

Nun hat der König zwei standesgemäße Behausungen in Besitz genommen: das Schloss Bärwalde in Boxberg in der Oberlausitz für 1,3 Millionen Euro. Und das Wolfsgrüner Schlösschen in Eibenstock im Erzgebirge für 2,3 Millionen Euro. Das Geld, prahlt Fitzek in Interviews mit Szeneportalen, stamme von seinen Anhängerinnen. Manche hätten gar ihr Haus verkauft, um Bürger des Königreichs zu werden.

Alter Nazidreck statt neuer Lebensform

„Das Königreich Deutschland ist eine Sekte“.  Für seine Reportage Reise ins Reich wurden acht Monate verdeckt unter Reichsbürgern recherchiert. Das „Königreich Deutschland“ war Ausgangspunkt; für viele spätere Anhänger sei es „ein Einstieg in den Kaninchenbau“, sagt er. „Rechtsesoterische Gurus wie Fitzek wirken zunächst harmlos, locken nicht nur mit ihren Schreckensszenarien, sondern eben auch mit hippiesken Aussteigerfantasien und einem Versprechen von Freiheit und autarkem Leben.“ Wegen ihres kuriosen Auftretens würden Reichsbürger oft nicht als so gefährlich wie klassische Rechtsextreme wahrgenommen, dabei sei ihre Ideologie „im Grunde nur der alte Nazidreck“. Die diffuse Sehnsucht nach dem „Reich“ anstelle der Bundesrepublik, nach „Souveränität“ und einem „wahren Deutschland“ sei ein verbindendes Element zwischen verschiedenen rechten Subszenen, sagt Ginsburg.

Auch die Sicherheitsbehörden sind alarmiert: „Wer sich auf das Königreich einlässt und Fitzek sogar Ersparnisse anvertraut, gerät in existenzielle Abhängigkeit und in den Strudel extremistischer Verschwörungstheorien“, sagt Dirk-Martin Christian, Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz in Sachsen. Man könne nicht ausschließen, dass die Schlösser auch radikalen Querdenkern und Querdenkerinnen als Rückzugsort dienen könnten. In diese Szene hat Fitzek gute Verbindungen. Gerade das harmlose Auftreten der Reichsbürgersekte bereitet dem Verfassungsschutz Sorgen: Wenn man „sanierungsbedürftige und ortsprägende Schlösser“ kaufe und herrichte, „könnte dies positiv im Ort aufgenommen werden“, sagt Christian.

In Boxberg habe man die Gefahr gesehen, sagt Arian Leffs, Hauptamtsleiter der Gemeinde. „Wir haben aber nicht die Mittel, um ein Schloss für 1,3 Millionen Euro zu kaufen“, sagt er. Deshalb habe man eine Anfrage ans Finanzministerium gestellt – und eine Absage kassiert. Ähnlich war es in Eibenstock, wo das Wolfsgrüner Schlösschen steht: Hier habe man direkt die Staatskanzlei angefragt, sagt Bürgermeister Uwe Staab (CDU). Die Gemeinde habe sogar Ideen für Nutzungskonzepte eingereicht, damit das Land von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen könne – ohne Erfolg. Inzwischen sei der Kaufvertrag abgeschlossen, bedauert Staab.

Der Freistaat griff nicht zu

Hier in Bärwalde, verrät Wiktoria an der Schlosspforte, sollen die Anhänger des Königs wohnen. Im Schlösschen in Eibenstock sollen Seminare und Tagungen stattfinden. Fitzek ist an diesem Tag nicht zugegen – dafür ein anderes prominentes Gesicht des Königreichs: Dirk Schneider, ein Mann um die 40 mit langen Rastazöpfen, läuft mit Funkgerät in der Hand umher und gibt Anweisungen. Schneider wollte bereits im vergangenen Jahr die ehemalige Villa von Joseph Goebbels bei Berlin kaufen – im Auftrag des Königreichs. Nach Veröffentlichung der Recherche sah der Eigentümer des Schlosses vom Verkauf ab.

Das Schloss Bärwalde gehört dem Ehepaar Werner und Ute H. Denen ist es nach eigenem Bekunden egal, wer sich in dem Schloss nun niederlässt: „Wenn sie das Geld bringen – warum nicht?“, sagt Werner H. auf Anfrage von ZEIT ONLINE. Die Warnungen des sächsischen Verfassungsschutzes vor den Reichsbürgern würden ihn nicht interessieren. „Seit zehn Jahren versuchen wir nun schon, dieses Schloss zu verkaufen“, sagt er. Wenn die Gemeinde oder der Freistaat Sachsen ein Angebot gemacht hätten, hätte er auch an diese verkauft.

Das sächsische Finanzministerium bestätigt dem Störungsmelder, dass die Gemeinde Boxberg sie um den Kauf des denkmalgeschützten Schlosses gebeten habe. Jedoch: „Ein Grunderwerb durch den Freistaat (…) kommt insbesondere aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht in Betracht“, teilt ein Sprecher des Ministeriums mit. Auch aus Aspekten des Denkmalschutzes komme ein Kauf nicht in Betracht, weil dem Schloss eine „überörtliche Bedeutung“ fehle.

Wiktoria, die junge Frau an der Schlosspforte, sagt: Wer hier mitmachen wolle, müsse erst eine Probewoche, dann einen Probemonat absolvieren. Und noch etwas: „Nur für Ungeimpfte und Nichtraucher.“ Da möchte man doch erst mal in Ruhe drüber nachdenken. Zum Abschied winken fröhlich lachende Kinder am Rande des Schlossgartens. Für sie soll im Königreich übrigens keine Schulpflicht gelten, versprach Peter Fitzek im März in einem Interview. Und wer darin geboren wird, bekomme auch keine Geburtsurkunde des verhassten Staats. Dann gelte das, was sich wohl alle künftigen Bewohner des Schlosses wünschten, sagte der Möchtegern-König: „Man ist aus der BRD also vollkommen raus.“


Viewing all articles
Browse latest Browse all 464