Des Rundschau-Beirats Antoine Mechler – zu Albert Hofmanns Essays „Einsichten und Ausblicke“ und über dessen „Aufklärung als das Bestreben, einer Unmündigkeit zu entrinnen“ – versucht, dem Menschen jene Freiheit zu vermitteln, die ihm einen sicheren Stand in der Welt, in der Wirklichkeit hätte gestatten sollen. Wobei sowohl Hofmann (wie wohl dem damals rezensierenden Rundschau-Mitarbeiter Mechler auch), sich schier von Anfang an die Frage stellte, was denn nun Wirklichkeit überhaupt -, mithin, von welcher Beschaffenheit die Wirklichkeit der Welt denn nun eigentlich wirklich wäre.
Das läßt sich heute so sehen: Was Menschen „wirklich“ nennen, ist „Materie in Zeit und Raum;“ dagegen steht die Auffassung, gerade dies sei der „schlimmste Aberglaube, dem der Mensch je verfallen“ sei, dass nämlich „die Welt aus Materie bestehe. Das ist nicht nur ein Thema sich spirituell gebender Esoterik, sondern auch solider Wissenschaftler:
Carl Friedrich von Weizsäcker gibt zu verstehen, dass es nach der Quantentheorie, die der deutsche Physiker Max Planck aufgestellt hat, möglich sei, die physikalische Wirklichkeit „als eine essentiell seelische oder geistige Wirklichkeit aufzufassen:“
Andere Physiker, so etwa David Dohm, verstehen Wirklichkeit, die sie „Unermeßlichkeit“ nennen, als ein universales Fließen, in dem Geist und Materie keine getrennten Substanzen sind – wie es Descartes angenommen hatte und nach ihm eine ganze Epoche -, sondern dass Geist und Materie lediglich verschiedene Aspekte „einer einzigen, ganzen und bruchlosen Bewegung“ seien: Wirklichkeit ist Bewegung von was auch immer, Bewegung des Unermeßlichen.
All das ist im Denken der beginnenden Neuzeit angelegt, ja eine Kernfrage,
auf die man, um sich aufzuklären, eine Antwort ermitteln mußte!
Was ist wirklich?
Und was ist mit dem Wort Wirklichkeit wirklich gemeint?
Bei alledem ging es vordringlich darum, sich der eigenen Wirklichkeit zu versichern, ihr sozusagen Substanz zu verleihen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ließ Shakespeare den Prospero in seiner Komödie „Der Sturm“ sagen:
„Wir sind aus solchem Stoff wie der zu Träumen, und unser kleines Leben umringt ein Schlaf“. Das war nicht so einfach um der Poesie willen hingesagt, sondern eine Mutmaßung, welche die Epoche beschäftigte und beunruhigte. Ein René Descartes konnte es so nicht hinnehmen: Hätte er seine eigene Wirklichkeit als Unwirklichkeit verstehen müssen, er hätte alle Sicherheit in der Welt verloren. So mußte er einen Beweis für sein Wirklich-Sein finden, und er fand ihn, weil ihm die Evidenz – der Entwicklungsprozeß – seines Existierens nicht genügte, in der Schlußfolgerung: „Ich denke, also bin ich“. Und dann mußte er einen Beweis dafür finden, dass der materiellen Welt um ihn her gleichfalls Wirklichkeit zukomme. Dazu schlug er einen theologischen Umweg ein: seinen Gottesbeweis. Wir hätten, so stellte er fest, die Idee Gottes, der Vollkommenheit in uns, und diese könnten wir nur von einem Wesen haben, das „alle Vollkommenheiten in sich vereinigt, das heißt von einem wirklich daseienden Gott.“
Dass dieser Gottesbeweis nicht stichhaltig ist, stellte spätestens Immanuel Kant fest. Für Descartes freilich genügte er für eine weitere Schlußfolgerung: Der vollkommene Gott könne kein Betrüger sein und die Weltwirklichkeit nur vorgaukeln. Er sei seriös und die Wirklichkeit daher in all ihrer Materialität wirklich. Weder das Ich ist „aus solchem Stoff wie der zu Träumen“, noch die Welt. Daher war Wissenschaft als Messen und Berechnen nicht nur ein intellektuelles Spiel, sondern ein adäquater Versuch, die Wirklichkeit der Welt zu erkennen.
In seinen Essays begab sich nun Albert Hofmann auf eine andere Weise auf diese Reise, er läßt seine Leser teilhaben an seinem „nüchternen Weltbild des Naturwissenschaftlers;“ ebenso lässt er sie teilnehmen auf seinen spontanen Reisen, auf seine manchmal Gratwanderung „spontaner und mystischer“ Erlebnisse. „Das Wirkliche“ – zitiert er Ernst Jünger aus seinem „Sizilianischer Brief an den Mann im Mond“ – „ist ebenso zauberhaft, wie das zauberhafte wirklich ist.“
Dieses Bild schwebt eigentlich über allen Hofmannschen Gedanken, über dem zum „Sender-Empfäner Modell der Wirklichkeit“ ebenso, wie im Kapitel „Geborgenheit im naturwissenschaftlich-philosophischen Weltbild.“
Im Vorwort schon teilt Hofmann sein Verhältnis zu Gott mit
Als etwa Zehnjähriger habe er ein „kindlich-philosophisches Gespräch mit einem Mitschüler“ gehabt, der ihn fragte: „Glaubst du noch an den lieben Gott.“ Seit der nämlich gemerkt habe, dass der St. Niklaus niemand anderes gewesen sei, als Onkel Fritz, könne er nicht mehr glauben. Hofmann antwortete ihm, mit Gott habe es aber anders zu sein als mit St. Niklaus und dem Christkind, schließlich gebe es doch die Welt und die Menschen, die nur Gott gemacht haben könne. Dies sei sein Gottesbeweis gewesen, und er sei es geblieben …
Einige seiner „Gedanken und Bilder“ mögen für sich selbst sprechen: „Wenn ich einen Text lese, dessen Inhalt mich zutiefst anspricht, dann sind darin eigene Gedanken formuliert. Der Autor hat als Geburtshelfer gewirkt.“ – „Vor mir die Erde mit Schnee bedeckt. Ich weiß, dass hier nach kurzer Zeit, ohne dass sich eine Menschenhand rührt, wieder eine Wiese mit Blumen und Schmetterlingen das Auge erfreuen wird – Wir leben in einer wundervollen Welt, in einer Welt voller Wunder.“ – „Die materielle Welt ist kein Gegensatz zur geistigen Welt, sondern ihre Manifestation.“ Damit wollen wir es bewenden lassen; lassen Sie sich verzaubern von diesem zum Nach- und mitdenken einladenden Büchlein. Antoine Mechler
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Diesen Beitrag habe ich beim Auf- und Wegräumen in meiner in einer Auflage von 80.000 Exemplaren gedruckten „Heidelberger Rundschau“ gefunden.
Dabei habe ich mich an einigen Beiträgen festgeschmökert, mich beim Lesen obiger antoinischen Rezension des Hofmann`schen Bändchens mit Essays erinnert, beides am Stück wiedergelesen und hoffe sehr, dass Sie noch ein Exemplar im Buchhandel oder wenigstens noch im Antiquriat finden. Jeder Aufwand lohnt sich! got
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Welches ist die wahre Wirklichkeit? – Das nüchterne Weltbild des Naturwissenschaftlers oder das rauschhafte des Mystikers? Eigene spontane und drogeninduzierte mystische Erlebnisse drängten den Autor, den Entdecker des LSD, Albert Hofmann, dieser Frage nachzugehen. Er gelangte dabei zu Einsichten in das Wesen der Wirklichkeit, die dieses zentrale Problem der Philosophie in neuer Weise anschaulich machen. Dieser Band erschien erstmals 1986 im Sphinx Verlag. In dieser „neuen“ Ausgabe sind einige Artikel überarbeitet worden und mit neuen Texten – z.B. ‚Bewusst Sein‘ – ergänzt. Albert Hofmann sieht in diesem Titel „den Kern meiner Weltanschauung“. Das Buch erschien zum 60. Jahrestag der LSD-Entdeckung (16. 4. 03) und wurde an der Basler Buchmesse (im Beisein des Autors) vorgestellt.
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