Vergangene Woche wurde bekannt, dass der ehemalige Erzbischof von St. Louis, Raymond Leo Burke, sich mit dem Coronavirus infiziert hat. Jetzt liest man auf seinem Twitteraccount, dass er ins Krankenhaus gebracht wurde und derzeit beatmet werden muss. Die Ärzte seien ermutigt von den Fortschritten, die der Geistliche mache, hieß es. Gleichzeitig bat man die Gläubigen darum, für ihn zu beten – was ihm bislang jedoch nicht geholfen hat.
Burke hatte sich in der Vergangenheit kritisch zu Corona-Schutzmaßnahmen geäußert. »Es muss klar sein, dass die Impfung den Bürgern nicht auf totalitäre Weise aufgezwungen werden kann«, sagte er 2020 bei einer Diskussionsveranstaltung in Rom. Er wetterte zudem gegen Gottesdienstverbote und gewisse Tendenzen in der herrschenden »völlig säkularisierten Kultur«, Gebet, Andacht und Messen mit »gewöhnlichen Freizeitaktivitäten wie Kino oder Fußball« gleichzusetzen.
Getestet und für krank befunden
Anlässlich seines positiven Tests hatte der Kardinal erklärt, er werde exzellent medizinisch versorgt – und habe sich darüber hinaus der göttlichen Vorsehung anvertraut.
Die Twitter-Kommentare auf die offensichtliche Verschlechterung von Burkes Gesundheitszustand waren mitfühlend, aber auch kritisch. Der Geistliche habe es als Impfgegner an Weitsicht und Weisheit mangeln lassen, hieß es. Man hoffe, dass die Corona-Erfahrung bei ihm einen Gesinnungswandel hervorrufe.
Burke war von 1994 bis 2005 Bischof in der Diözese La Crosse im US-Bundesstaat Wisconsin. 2003 wurde er Erzbischof von St. Louis, bis er 2008 in die Apostolische Signatur in Rom berufen wurde, den Obersten Gerichtshof der Kurie und die höchste juristische Instanz im Vatikan.
Der Kardinal gilt als dezidierter Gegner des aktuellen Papsts, als netzwerkender »Anti-Bergoglio«, der den Pontifex öffentlich zu Korrekturen auffordert und ihn in die Nähe der Häresie rückt. Burke soll in der Vergangenheit gute Verbindungen zu Ex-Präsident Donald Trump und dem rechten Hetzer Steve Bannon gehabt haben.
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Franziskus reagierte: 2013 wurde Burke in der Kongregation für die Bischöfe abgelöst und aus der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse abberufen. Seine Ernennung zum Kardinalpatron des Malteserordens 2014 und die gleichzeitige Berufung eines neuen Präfekten in die Apostolische Signatur kam einer Entmachtung des Kardinals gleich.
2015 kritisierte Burke, dass die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Eucharistiefeier »banalisiere« – eine Haltung, die viele Reaktionäre in der Kirche einnehmen und der Franziskus mit seinem jüngsten Motu Proprio vom Juli 2021 einen Riegel vorschieben will. In dem Schreiben »Traditionis custodes« (»Wächter der Tradition«) erteilt er der Messe nach altem, tridentinischen Ritus eine ungewohnt scharfe Abfuhr. Damit macht er eine Entscheidung seines noch lebenden Vorgängers, des konservativen »Schattenpapsts« Benedikt XVI., rückgängig.
Neues Ungemach über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen
In der Debatte um den Umgang der katholischen Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen steht möglicherweise eine neue Eskalation bevor. Der frühere Kurienkardinal Raymond Leo Burke kündigte im Interview mit dem US-Internetportal „LifeSiteNews“ eine formale Ermahnung von Papst Franziskus an, sollte dieser seine Position nicht im Sinne der traditionellen katholischen Lehre präzisieren. Burke, von 2008 bis 2014 Präfekt der Apostolischen Signatur, des höchsten Vatikangerichts, ist derzeit Kardinalpatron des Malteserordens.
Der Papst müsse auf das Schreiben antworten, in dem vier Kardinäle – unter ihnen Burke – eine Klarstellung einiger Aussagen des Papstes verlangt hatten, so der amerikanische Kirchenjurist. In dem päpstlichen Abschlussdokument „Amoris laetitia“ zu den beiden Synoden über Ehe und Familie deutet Franziskus an, dass wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Voraussetzungen wieder die Sakramente empfangen können. Burke gehört weltweit zu den schärfsten Gegnern einer solchen Reform.
Burke: „Amoris laetitia“ widerspricht katholischer Lehre
Zu den Unterzeichnern des im November publizierten Briefes an den Papst gehören auch die deutschen Kardinäle Joachim Meisner und Walter Brandmüller sowie der Italiener Carlo Caffarra. Die Veröffentlichung des Schreibens begründeten die vier Kardinäle damit, dass Franziskus ihnen über zwei Monate nicht darauf geantwortet habe und sie die weitere Debatte über das Thema fördern wollten.
Geschehe dies nicht, so Burke im Interview, rege er eine „formale Korrektur“ der päpstlichen Lehraussagen an, um die Widersprüche zwischen Aussagen von „Amoris laetitia“ und der katholischen Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe aufzuzeigen. Diese Korrektur werde „direkt und einfach“ ausfallen. Von welchem Personenkreis sie ausgesprochen werden soll, ließ Burke offen. Die Weihnachtszeit sei für Franziskus die geeignete Phase, um die entstandenen Zweifel aus dem Weg zu räumen, so der Kardinal weiter. Es gehe schließlich um die Grundlagen der kirchlichen Morallehre.
Auch Johannes XXII. erhielt Ermahnung
Ermahnungen von Päpsten sind in der Kirchengeschichte selten. Als historisches Beispiel für den Vorgang verweist das Internetportal auf Johannes XXII. (1316-1334). Diesen Papst ermahnten Bischöfe und Theologen, weil er in einigen Predigten die kirchliche Lehre hinterfragt hatte, wonach die Seelen der Heiligen gleich nach dem Tod zur Anschauung Gottes gelangen. Gegen Ende seines Lebens ruderte der Papst zurück und schloss sich der damals überwiegend vertretenen kirchlichen Lehre wieder in vollem Umfang an. Zugleich erklärte er, dass er niemals etwas anderes vertreten habe als das, was die Kirche lehrt.