Solche Tage, so wunderschön wie damals, als die Amigo-Affären aufflogen und, nachdem sich CDU und CSU seit Jahren dagegen dagegen gesperrt haben, wenigstens ein klein wenig mehr Licht ins Dunkel ihrer Lobbykontakte zu bringen – und dies wahrlich mit allen Verzögerungstaktiken, die der parlamentarische Alltag gerade noch erlaubt, haben sie immer wieder Gesetze verhindert, die sie zu mehr Offenheit verpflichtet haben würden.
„Es gibt keinen Grund für Misstrauen gegenüber der Bundesregierung“, sagt Regierungssprecher Steffen Seibert in der Bundespressekonferenz noch vor zwei Jahren, und aus dem Innenministerium hieß es, man brauche kein Lobbyregister. Und als es dann auf Drängen der SPD doch irgendwann einen Entwurf gab, blieb der im Bundestag immer wieder irgendwo hängen.
Dies wohl auch, weil bis vor wenigen Tagen sowohl in der Union wie auch im Kanzleramt immer noch das Grundgefühl herrschte: Es geht im Grunde niemanden etwas an, wie oft wir uns mit wem treffen und worüber wir dann reden.
Doch nun, irgendwie ganz plötzlich, sieht die Sache anders aus: Union und SPD haben sich im Groben auf einen Gesetzentwurf geeinigt, der noch in diesem Frühjahr durch den Bundestag soll. Klappt das, müssen Lobbyisten künftig melden, wenn sie sich mit Vertretern der Bundesregierung oder dem Bundestag treffen. Damit würde ein wenig offensichtlicher, wer wo welche Strippen zieht. Der banale Grund für diesen Durchbruch ist: Helle Panik. Die Union muss einfach irgendetwas tun, um den Vorwurf der Käuflichkeit zu entkräften.
Schließlich können in diesen Tagen selbst die ergebenste Christsoziale und der treueste Christdemokrat nicht mehr übersehen: Die Union hat nicht nur ein paar schwarze Schafe, die gern mal nebenbei ein gutes Geschäft machen. Sie hat ein Haltungsproblem. Das ist vielleicht noch nicht ganz so schlimm wie in den Zeiten, in denen der legendären CSU-Chef Franz Josef Strauß Geschäfte mit seinen Amigos machte. Aber übersehen oder überspielen kann man es eben auch nicht mehr.
Natürlich gibt es da einen Graubereich
Erst verstolpert sich der christdemokratische Jungstar Philipp Amthor wegen seines allzu kuscheligen Umgangs mit einem Start-up. Er war jung und brauchte den Glamour – hieß es damals noch entschuldigend in CDU/CSU-Kreisen. Seit der vergangenen Woche ermittelt die Staatsanwaltschaft nun aber gegen den erfahrenen CSU-Politiker Georg Nüßlein (und Loebel, Hauptmann nebst anderen Amigos, die mit ihren Kontakten ins Ministerium oder anderswohin unverschämt verdient haben), wegen Steuerhinterziehung und des Verdachts auf Vorteilnahme im Amt, Nüßleinn jedenfalls kann als stellvertretender Fraktionsvorsitzender wirklich keinen Welpenschutz mehr für sich reklamieren. Und nun muss sich auch noch der Gesundheitsminister Jens Spahn, bis vor Kurzem Hoffnungsträger der Konservativen, eine ganze Reihe peinlicher Fragen rund um die milliardenschwere Beschaffung von Masken stellen – und erklären, warum ein CDU-naher Unternehmer besonders schnell zum Zuge kam. Und dass nun von wahrschein neidischen Mitbürgern doch tatsächlich sein mehr oder weniger millionenschweres Häuschen in Berlin ins Spiel gebracht werden – was ist doch aus diesem unseren Land geworden!
Kontakte. Oder Kumpelage?
Bisher galten in CDU und CSU gute Kontakte in die Wirtschaft als ein Qualitätsmerkmal. Man sei nah dran, an denen, die Wohlstand schaffen, hieß es. Nur ganz offensichtlich wird da eben zu oft etwas verwechselt: Kontakt und Kumpanei. Wo das eine anfängt und das andere aufhört? Natürlich gibt es da einen Graubereich, wie bei allem im Leben. Und natürlich soll es auch künftig vertrauliche Gespräche geben – sie sollen eben nur nicht ganz offensichtlich gewinnbringende Vetternwirtschaft decken.
Und genau das hätte es in der Vergangenheit können und da kann jetzt ein Lobbyregister helfen. Wenn Abgeordnete und Regierungsmitglieder offenlegen müssen, mit wem sie sich so treffen und wer dafür wie viel Geld ausgibt – dann befreit sie das auch von so manchem Verdacht. Denn dann kann ja jeder sehen, welche Argumente sie besonders oft gehört haben. Und wenn danach ein Gesetzentwurf aus einem Ministerium den Bedürfnissen eines Verbands besonders wohlwollend entgegenkommt, weiß die Öffentlichkeit dann auch, ob nur die Nutznießer einen Termin beim Minister haben oder ebenso die Gegenseite.
Das zu erfahren, gehört in eine offene Demokratie
Denn klar ist in einer Demokratie auch: Lobbyismus ist nicht per se immer erst mal schlimm – im Gegenteil: Die Interessenvertretung von Unternehmen, Branchen, Verbänden und Initiativen können Politikern dabei helfen, das Richtige zu tun. Indem sie die Betroffenen von Gesetzen vertreten, transportieren sie die Bedürfnisse der Gesellschaft ins Parlament. Deshalb ist es auch richtig, wenn Politiker Unternehmen besuchen, mit Branchenvertretern diskutieren, gern auch mal Kaffee trinken gehen und sogar, wenn sie von denen schriftliche Vorschläge für bessere Paragraphen zugeschickt bekommen. All das aber darf eben nur nicht im Geheimen passieren. „Je weiter die Offenlegungspflicht, desto nachvollziehbarer der Einfluss und desto besser das Register“, sagt der SPD-Abgeordnete Matthias Bartke, der im Bundestag für das Register gekämpft hat – und das stimmt genau so. Derweil aber CDU/CSU vehement gegen eine Offenlegung der „lobbyistenistischen Kontakte“ gearbeitet haben, bedurfte es der aktuellen Maskenskandale der Abgeordneten Nüsslein und anderer schwarzen Kumpels.
Nach alledem muss dann schon gefragt werden dürfen: Warum?
Und, die Antwort kann man sich um der Wahrheit willen dann leicht auch selber geben …
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Ähnliches gilt für die Berliner Vertreter von Daimler, VW oder dem VDA – die bisher einfach ihre alten Kontaktlisten still und leise nutzen konnten: Die Daimler-Vertretung leitet Ex-Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU), den mächtigen Autoverband VDA leitet die Ex-Staatsministerin Hildegard Müller (ebenfalls CDU) und das Berlin-Büro von VW leitet Michael Jansen, zuvor zeitweise Merkels Büroleiter in der CDU-Zentrale – um nur ein paar der Top-Lobbyisten zu nennen.
Wie eine Liste über unhygienische Restaurants
Sollten sie und andere künftig nicht offenlegen, wie viel Geld ihnen für ihre politische Einflussnahme so zur Verfügung steht, kommen sie auf eine schwarze Liste. Die soll funktionieren wie die Ekelessen-Listen, die einige Gesundheitsämter mal über unhygienische Restaurants veröffentlicht haben. Jeder soll sehen, dass da einer was tut, was man nicht tut.
Ob das alles wirklich kommt? Noch werde an den Details gefeilt, heißt es in CDU und SPD. Letztere kann tatsächlich stolz sein, dass sie die Sache mit dieser Koalition noch hinbekommen hat. Denn ohne das Drängen einiger Sozialdemokraten wäre aus dem Register nichts geworden.
Ob es indes reicht?
„Zu einem vorbildlichen Lobbyregistergesetz gehört zwingend ein verbindlich vorgeschriebener exekutiver Fußabdruck des Gesetzgebungsverfahrens. Ohne exekutiven Fußabdruck bleiben Inhalte nicht nachvollziehbar“, schreibt eine breite Koalition von Umweltgruppen und Unternehmensverbänden, unter anderem sind der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Verband der Chemischen Industrie (VCI), Transparency International Deutschland und der Nabu dabei. Und damit bekommt diese Kritik besonderes Gewicht. Dass die Wirtschaftsverbände mehr Offenheit wollen als die Union – wow!